»Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eines nicht mehr möglich: die notwendigen Emissionsreduktionen der nächsten Generation zu überlassen«, schreiben die Fachautoren von Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und der Stiftung Klimaneutralität in ihren 50 Empfehlungen für die kommende Legislaturperiode. Das haben auch die Verfassungshüter in Karlsruhe verstanden: Ende April hatte das Gericht entschieden, das deutsche Klimaschutzgesetz belaste die jüngeren Generationen unverhältnismäßig stark. Denn wenn die heutige Generation das noch verbleibende Treibhausgasbudget durch ihren Lebenswandel weitestgehend ausschöpft, müssen sich künftige Generationen übermäßig einschränken – ein Eingriff in deren Grundrecht auf Freiheit.
Mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes zieht die noch amtierende Bundesregierung nun erste Konsequenzen aus dem Urteil: Bereits 2045, fünf Jahre früher als geplant, soll Deutschland klimaneutral werden, also nur noch so viel Treibhausgas ausstoßen, wie an anderer Stelle gebunden werden kann. Für 2030 steigt das Klimaziel von 55 auf 65 Prozent Emissionsminderung gegenüber dem Vergleichsjahr 1990. Auch für die Sektoren Gebäude, Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Landwirtschaft und Abfall werden die zulässigen Emissionsmengen verschärft, wobei die Energiewirtschaft bis 2030 den Löwenanteil beisteuern soll. Dass die letzten deutschen Kohlekraftwerke früher vom Netz gehen müssen als bisher geplant, gilt damit unter Energieexperten als sicher.
Flankiert wird die Gesetzesnovelle von einem Energie- und Klimapaket. Die darin enthaltenen Maßnahmen sollen helfen, die ambitionierteren Klimaziele in den kommenden Jahren zu erreichen. So ist etwa vorgesehen, die Ausschreibungsmengen für Windkraft an Land und Photovoltaik für das Jahr 2022 anzuheben. Und auch beim Repowering sind Erleichterungen geplant: Um künftig mehr Ökostrom auf gleicher Fläche erzeugen zu können, sollen bestehende Windkraftanlagen leichter durch leistungsstärkere neue Turbinen ersetzt werden dürfen.
Mit Blick auf die nächsten zwei Jahre nannte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch das Paket eine »Brücke« für den schnelleren Ausbau der Wind- und Solarenergie. Die Einigung der Koalitionsparteien auf höhere Ausbaupfade über 2022 hinaus scheiterte allerdings am Widerstand der Union. Das ist umso erstaunlicher, da Wind- und Solarenergie die zentralen Technologien sind, mit denen sich günstig Ökostrom produzieren lässt. Und den braucht es schnell und in enormen Mengen für die klimaneutrale Elektrifizierung der verschiedenen Lebensbereiche – sei es für E-Autos oder das Heizen mit Wärmepumpen, für die Produktion von synthetischen Kraftstoffen oder von grünem Wasserstoff für die Industrie. Es wird die große Aufgabe der kommenden Bundesregierung sein, die Weichen für diese Transformation präziser und sozial ausgewogen zu stellen. Die Klimaziele dafür sind jetzt Gesetz.