Das neue »Deutschlandtempo«, das Bundeskanzler Olaf Scholz für den Bau von Flüssiggasterminals ausgerufen hatte, soll nun auch für den Ausbau der Erneuerbaren gelten. Gerade mal zwei Monate brauchte die Bundesregierung, um die Ende 2022 im EU-Energieministerrat beschlossene EU-Notfallverordnung in deutsches Recht umzusetzen. Sie soll den Mitgliedstaaten in den kommenden anderthalb Jahren beim Abfedern der Energiekrise helfen und dazu führen, dass erneuerbare Energien und Stromleitungen sehr viel schneller errichtet werden können.
Besonders beim Ausbau der Windenergie gilt es, die oftmals langwierigen Genehmigungsverfahren zu vereinfachen. Zentraler Punkt dabei: Liegt in einem für Windkraft ausgewiesenen Gebiet bereits eine sogenannte strategische Umweltprüfung vor, braucht es zukünftig keine weiteren Prüfungen von Artenschutz und Umweltverträglichkeit mehr; diese waren bisher zusätzlich für die Genehmigung der einzelnen Anlagen erforderlich. Stattdessen sollen die Behörden auf bereits vorhandene Daten zurückgreifen, um Artenschutzmaßnahmen für das Projekt anzuordnen, darunter zum Beispiel saisonale Abschaltzeiten für die Rotoren. Gibt es solche Maßnahmen nicht, müssen die Anlagenbetreiber Ausgleichszahlungen an ein Artenhilfsprogramm leisten. Auf diese Weise dürften mehrere Jahre im Genehmigungsverfahren eingespart werden.
Schneller vorankommen soll auch das Repowering, das heißt der Austausch alter Anlagen gegen leistungsstärkere neue. Hier wird ab sofort nur noch die Mehrbelastung der neuen Anlagen geprüft, nicht noch einmal das gesamte Projekt. Der Genehmigungsprozess soll so innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen sein.
»Die Bundesländer und die Genehmigungsbehörden haben nun die gesetzlichen Grundlagen, um den Windkraftausbau mit voller Kraft voranzutreiben und Anlagen zügig zu genehmigen«, sagt Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz. »Ich bin sicher, dass sie das jetzt auch tun werden, schließlich liegt die dreifache Dringlichkeit auf der Hand: Die erneuerbaren Energien sind Klimaschutz, sie sind eine Standortfrage, sie bedeuten Sicherheit.«
Bis 2030 will die Bundesregierung die installierte Windkraftleistung von aktuell 58 auf dann 115 Gigawatt verdoppeln. Damit die dafür notwendigen Gebiete auch zur Verfügung stehen, gibt das Wind-an-Land-Gesetz den Bundesländern seit Anfang Februar erstmals konkrete Flächenziele vor: Insgesamt 1,4 Prozent der Fläche Deutschlands müssen demnach bis 2027 für die Nutzung ausgewiesen sein, bis 2032 dann 2 Prozent. »Es ist gut, dass eine Reihe von Bundesländern inzwischen signalisiert, die Flächen in einem Schritt spätestens bis 2027 zu sichern«, meint Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands Windenergie. Denn Flächenverfügbarkeit sei die zentrale Voraussetzung, um neue Projekte anzuschieben.
Bundeskanzler Olaf Scholz will den Schwung der vergangenen Monate nutzen und den Ausbau »generalstabsmäßig« in regelmäßigem Austausch mit den Ländern angehen: »Gerade erstellen wir einen Fahrplan, was bis wann an neuen Anlagen gebaut sein muss, damit wir unsere Ziele für 2030 erreichen«, so der Kanzler im Interview mit der »Bild am Sonntag«. Was nicht pünktlich geschafft werde, müsse aufgeholt werden. »Bis 2030 werden das an Land im Schnitt vier bis fünf Windräder jeden Tag sein.«