Wer in der Europäischen Union klimaschädliches Kohlendioxid freisetzt, muss künftig mehr und häufiger dafür bezahlen. Anfang Februar haben die Mitgliedstaaten die Reform des EU-Emissionshandels final bestätigt. Damit steht der zentrale Hebel fest, mit dem Europa sein Klimaziel für 2030 erreichen und bis 2050 klimaneutral werden will.
Im ersten Schritt wird der seit 2005 bestehende Emissionshandel so weit verschärft, dass fossile Kraftwerke und Industrie ihre Emissionen etwa doppelt so schnell reduzieren müssen wie bisher: Bis 2030 soll die erlaubte Menge an Treibhausgasen schrittweise um 62 Prozent unter das Niveau von 2005 sinken; bisher war ein Minus von 43 Prozent das Ziel. Dazu werden immer mehr Verschmutzungsrechte aus dem Markt genommen, sodass der Preis für die Tonne CO2 weiter steigen wird. Experten wie Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung gehen deshalb davon aus, dass etwa Braunkohlekraftwerke in Deutschland schon bald unrentabel werden. »Ich bin der Überzeugung, dass wir einen substanziellen Ausstieg schon vor 2030 haben werden«, so der Klimaforscher. Der Kohleausstieg sei auch der erste Schritt, um das Energiesystem CO2-frei zu gestalten.
In einem zweiten Schritt wird der Emissionshandel voraussichtlich ab 2027 auf das Heizen von Gebäuden und den Straßenverkehr ausgeweitet. Wer etwa Gas oder Benzin verkauft, muss dann auch die dafür notwendigen Verschmutzungsrechte erwerben und die Kosten an die Verbraucher:innen weitergeben. Mehr als drei Viertel aller europäischen Emissionen bekommen damit einen Preis, der den Umstieg auf klimafreundlichere Alternativen wie das Fahren mit Elektroautos oder das Heizen mit Wärmepumpen anreizen soll. Die höheren Heiz- und Benzinkosten will die EU mit einem Klimasozialfonds für bedürftige Haushalte abfedern, finanziert unter anderem durch Einnahmen aus dem erweiterten Emissionshandel.
Auch die europäische Industrie bekommt Unterstützung beim Umstieg auf kohlenstofffreie und erneuerbare Energiequellen: So erhält zum Beispiel der Innovationsfonds durch den verschärften Emissionshandel zusätzliche Mittel, um Investitionen in klimafreundliche Technologien zu fördern. Den notwendigen Aufbau von Produktionskapazitäten, etwa für Photovoltaik und Windenergieanlagen, Speicher oder Elektrolyseure zur Wasserstoffproduktion, will die EU-Kommission außerdem mit dem »Green Deal Industrial Plan« voranbringen. Er sieht unter anderem vor, Genehmigungsfristen für den Bau von Produktionswerken zu verkürzen, den Zugang zu Investitionsmitteln zu vereinfachen und es den Mitgliedstaaten zu erleichtern, Unternehmen Beihilfen zu gewähren, damit sie nicht in Länder außerhalb der EU abwandern.
»Europa ist entschlossen, bei der Revolution der sauberen Technologien eine Führungsrolle zu übernehmen«, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Anfang Februar bei der Vorstellung der neuen Industriestrategie. »Für unsere Unternehmen und Menschen bedeutet dies, dass Kompetenzen dank eines einfacheren und schnelleren Rahmens in hochwertige Arbeitsplätze umgesetzt und Innovationen massenproduktionstauglich gemacht werden. Durch einen besseren Zugang zu Finanzmitteln werden die wichtigsten sauberen Technologiebranchen rasch expandieren können.«