Die Energiewende in Deutschland hat 2019 einen neuen Meilenstein erreicht: Zum ersten Mal stieg mit der Windkraft eine einzelne erneuerbare Energiequelle zum wichtigsten Lieferanten im bundesweiten Strommix auf. Damit verdrängte sie die klimaschädliche Braunkohle von Platz eins. Auch die Treibhausgase gingen dank des Stromsektors zurück.
So viele Kilowattstunden wie noch nie haben die Erneuerbaren 2019 zur Deckung des deutschen Stromverbrauchs beigetragen: Mit einem Anteil von fast 43 Prozent lieferten Windkraft, Photovoltaik, Wasserkraft und Biogasanlagen mehr Energie als alle verbliebenen Kohle- und Kernkraftwerke zusammen. Das geht aus der Jahresauswertung der Berliner Denkfabrik Agora Energiewende hervor. Der Löwenanteil in Höhe von rund 22 Prozent entfiel dabei auf die Windenergie. »Sie ist das Arbeitspferd der Energiewende«, betont Agora-Direktor Dr. Patrick Graichen. Das gute Windjahr sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Ausbau der Anlagen in den vergangenen zwei Jahren ins Stocken geraten ist. »Es ist an der Bundesregierung, jetzt rasch die Rahmenbedingungen so zu ändern, dass die Windkraft wieder vorankommt.«
Parallel zum wachsenden Ökostromanteil nahm die Kohleverstromung im vergangenen Jahr deutlich ab: Wie die Berliner Energieexperten berichten, brach die Erzeugung von Braunkohlekraftwerken um stattliche 22 Prozent ein, die von Steinkohlekraftwerken sogar um 31 Prozent. Hauptursache dafür war der europäische Emissionshandel, der den Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen 2019 auf rund 25 Euro je Tonne CO2 steigen ließ. CO2-intensiver Kohlestrom war dadurch oft nicht mehr wettbewerbsfähig gegenüber Strom aus Erdgas oder erneuerbaren Quellen – mit Folgen für die deutsche Klimabilanz: Nach Agora-Berechnungen sanken die Treibhausgasemissionen um 6,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ein überraschender Erfolg.
Im Stromsektor drückte der CO2-Preis die Treibhausgase EU-weit sogar um 12 Prozent, so stark wie nie zuvor seit 1990. Auch hier ging die Erzeugung aus Braun- und Steinkohle um beinahe ein Viertel zurück. »Damit der Emissionshandel weiterhin zum Klimaschutz beiträgt und Investitionssignale für erneuerbare Energien sendet, sollte die EU die Menge der jährlich ausgegebenen Zertifikate stärker als bislang vorgesehen verringern«, sagt Matthias Buck, Leiter Europäische Energiepolitik bei Agora Energiewende. »Das sollte ein Kernelement der Debatte um eine Erhöhung dereuropäischen Klimaschutzziele für 2030 werden.«